Wie hoch ist der Wert von digitaler Reichweite?

Kaum ein Sportsponsoring funktioniert ohne eine digitale Aktivierung. Ein Problem: Die Vielfalt digitaler Formate sowie technischer Möglichkeiten und methodischer Ansätze erschwerten bislang häufig eine verlässliche Vergleichbarkeit. Wie hat sich das digitale Sponsoring entwickelt und können Sponsoren sowie Rechteinhaber die Herausforderung eines einheitlichen Bewertungsverständnisses gemeinsam lösen?

1972 – Eintracht Braunschweig revolutioniert das Sportsponsoring in Deutschland durch die Platzierung des Hirsch-Logos von Jägermeister auf der Brust seines Trikots. In den Folgejahren hat sich das Sponsoring als wichtiges Marketinginstrument von Unternehmen und Marken, aber auch als bedeutende Einnahmequelle für Clubs und Verbände etabliert. Die Trikotwerbung war der Startschuss, es folgten Bandenwerbungen und weitere In-Stadium Aktivierungen wie CamCarpets. Mit der Digitalisierung ging auch eine Weiterentwicklung der klassischen Sponsoringrechte einher, z.B. die Evolution von der statischen Bande über die LED Bande bis hin zum Digital Overlay. Zusätzlich entstanden neue digitale Medien, die das Sponsoring um weitere Plattformen und Aktivierungsoptionen bereicherten.

Digital Disruption

Innerhalb weniger Jahre hat sich Social Media von einem Trend zu einem etablierten Kommunikationskanal entwickelt, der die Gesellschaft, Politik und Märkte global maßgeblich beeinflusst. Allein in den vergangenen fünf Jahren haben sich die Nutzerzahlen auf Social-Media-Plattformen weltweit von 1,4 Milliarden auf über 3,1 Milliarden User mehr als verdoppelt und zu einem signifikanten Wechsel des weltweiten Medienkonsums geführt. Aktuell ist die populärste Persönlichkeit in den sozialen Netzwerken ein Sportler: Stürmer-Star Cristiano Ronaldo vereint kanalübergreifend 365 Millionen Follower. Laut diverser Medienberichte verdient der Portugiese pro Post mit Sponsoring-Integration 750.000 US-Dollar (Forbes, 2018). Aber wie kommt diese Zahl zustande?

Die maßgebliche Veränderung des Medienkonsums hat die Sportbranche seit der Jahrtausendwende revolutioniert. Im Zuge der Professionalisierung und digitalen Transformation von Clubs und Verbänden sind Websites, CRM-Systeme, Online Shops, Apps und Social-Media-Kanäle entstanden. Die Komplexität der Digitalisierung stellt sämtliche Stakeholder vor neue Herausforderungen.

Viele Clubs, Athleten und Verbände haben sich Schritt für Schritt zu Medienunternehmen gewandelt. In den 2000er Jahren wurden die Inhalte aus dem Offlinebereich auf den Online-Plattformen gespiegelt. In den vergangenen Jahren entwickelte sich die digitale Club-Kommunikation vielmehr zu einer eigenen Disziplin mit organisatorischen Einheiten. Unter den Leitgedanken „Mobile First“ und „Fan Centricity“ werden heutzutage exklusive Inhalte maßgeschneidert produziert und ungefiltert in die Zielgruppen ausgespielt.

Monetäre Bewertung von Sponsoringrechten

Im Sponsoringmarkt haben digitale und soziale Medien eine quantitative und qualitative Weiterentwicklung der Rechteportfolios ermöglicht. Mit hohen digitalen Reichweiten und detailliertem Wissen über die eigenen Fans haben Clubs und Verbände hochwertige neue Rechte geschaffen, die bei der Aktivierung stets einen Fit mit Marke und Ziel des Sponsoringnehmers ermöglichen. Digitale Assets sind folglich als Aktivierungsmöglichkeiten zur Erreichung von Sponsoringzielen wie zum Beispiel dem Auf- und Ausbau der Markenbekanntheit, einem positiven Imagetransfer oder Absatzsteigerungen seit einigen Jahren fester Bestandteil der Verträge von Sponsoringgebern und -nehmern. Doch auch klassische Sponsoringrechte wie zum Beispiel das Trikotsponsoring, Bandenwerbung oder Backdrops gewinnen dank steigender digitaler Sichtbarkeit an Wert und müssen folglich neu bewertet werden.

Doch wie viel ist die digitale Reichweite wert? Stehen finanzieller Wert des Sponsorings und Gegenleistung im Verhältnis? Sämtliche Stakeholder stehen vor der Herausforderung der monetären Bewertung dieser Rechte, da bislang noch keine valide Bewertungsgrundlage und Transparenz am Markt für die Bewertung von digitaler Reichweite besteht. Im Zuge der Professionalisierung und im Zeitalter des Performance Marketings ist ein gemeinsamer Dialog aller Marktteilnehmer notwendig, um eine einheitliche Währung für digitale Reichweite am Markt zu etablieren und somit eine faire Bewertungsgrundlage für Sponsoringgeber und -nehmer gewährleisten zu können.

Engagement als Vergleichskennzahl

Branchenübergreifend ist der Tausender-Kontakt-Preis (TKP oder CPM) als medienübergreifende Kennzahl für die Bemessung von Kosteneffektivität in der Kommunikation anerkannt und ermöglicht dadurch einen Vergleich von TV, Print, Radio, Online, Social Media und Co. Die Online-Kanäle zeichnen sich dadurch aus, dass die Auswertung sämtlicher Aktivitäten mit Hilfe von datenbasierten Erfolgsmessungen und Tools für die jeweiligen Performanceziele in Echtzeit möglich ist. Somit kann jeder Marketer den Erfolg seiner Kampagnen den Zielen Reichweite (Cost per Mille), Traffic (Cost per Click), Leads (Cost per Action) oder Engagement (Cost per Engagement) direkt ins Verhältnis zu seinem Investment setzen.

Die Kennzahl Engagement ist dabei für den Sponsoringmarkt von besonderer Bedeutung. Zum einen setzt die Kennzahl Engagement eine tiefergehende Interaktion des Fans mit dem Inhalt voraus als die Reichweite – egal ob positiv oder negativ. Zum anderen ist das Engagement bzw. der CPE dank der öffentlichen Einsehbarkeit der einzige externe Vergleichswert für eine transparente Evaluation auf Social-Media-Plattformen.

Was ist eine Interaktion wert? Die Antwort darauf ist komplex und muss stets individuell in den Kontext gesetzt werden, indem Variablen wie Userverhalten, Plattform, Region, Branche sowie der Markenwert bewertet werden und in die Berechnung einfließen. Wie wahrscheinlich ist eine Interaktion auf Instagram im Vergleich zu Facebook? Interagiert ein User in China anders mit Inhalten als ein User in Europa? Und ist China für den jeweiligen Sponsor überhaupt ein relevanter Markt? Ist eine Sichtbarkeit auf den Kanälen der Premiummarke FC Bayern München im Vergleich zu anderen Clubs mehr wert? Diese Ausführungen könnten mit vielen Fragen weiter fortgesetzt werden.

Als Grundlage der jeweiligen CPE-Berechnung sollte jedoch stets der CPM gelten. Die Kennzahl ist als Messgröße am Markt branchenübergreifend etabliert und ermöglicht eine Vergleichbarkeit mit anderen Medien wie TV, Print oder Radio. Zugleich bietet der CPM von Werbeanzeigen auf Social Media eine ideale Referenz, um die Werthaltigkeit einer Sponsoringpräsenz in organischen Posts in ein angemessenes Verhältnis zu setzen und plattformspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen.

Zur Anwendung aller Einflussfaktoren bedarf es im Markt zunächst verlässlicher CPE Baselines, sozusagen Standardwerten für die Wertevaluation einer Interaktion auf den Social-Media-Plattformen. LOBECO hat dazu die Performance von über 100 Accounts und über 3 Milliarden digitalen Kontaktpunkten auf den Plattformen Facebook, Instagram und Twitter unter Berücksichtigung von CPM, CPE sowie dem Verhältnis von Impressionen und Engagement untersucht. Als Ergebnis ergaben sich folgende Werte pro Engagement für die Plattformen, die wir als Indikatoren zur Diskussion am Markt stellen möchten:

  • Facebook CPE: 0,67 €
  • Instagram CPE: 0,32 €
  • Twitter CPE: 0,44 €

Wie errechnen sich die CPE-Werte? Die aktuell beste Methodik zur validen Evaluation sehen wir in der Analyse von sowohl organischen als auch bezahlten Beiträgen. Bei bezahlten Werbeanzeigen auf den Plattformen kann die Kosteneffizienz (CPM, CPE etc.) der Aktivitäten direkt berechnet werden, indem die Performance-Kennzahlen (Reichweite, Engagement) ins Verhältnis zum eingesetzten Budget gesetzt werden. Um dabei die Vergleichbarkeit zu anderen Medienwerten (TV, Print etc.) gewährleisten zu können, werden ausschließlich Werbeanzeigen mit Optimierung auf Reichweite (keine Direct-Response-Werbung wie Leadgenerierung oder Sales) betrachtet.

Auf der anderen Seite stellen die organischen Metriken einen bedeutenden Faktor in der Berechnung des Gesamtwertes dar, da insbesondere in der Sport-Branche der überwiegende Teil der Social Media Kommunikation ohne Budgeteinsatz erfolgt. Folglich kann für die organische Kommunikation nur ein fiktiver CPE-Wert errechnet werden, da keine tatsächlichen Kosten für die Auslieferung der Beiträge anfallen. Die individuelle Berechnung des organischen CPEs ist insbesondere deshalb wichtig, weil laut unserer Analysen das Verhältnis von Interaktion zu Reichweite bei organischen Beiträgen im Vergleich deutlich höher ist als bei bezahlten Beiträgen – sprich bei gleicher Reichweite erhält ein organischer Inhalt durchschnittlich mehr Interaktionen als ein bezahlter Beitrag. Mit dem Wissen über das Verhältnis von Reichweite zu Interaktion haben wir auf Basis des CPMs von Werbeanzeigen einen fiktiven CPE-Wert für jede Plattform errechnen können. Zur Ermittlung der finalen CPE Baselinewerte wurden verhältnisgerechte Mittelwerte auf Basis der realen CPE Werte von Werbeanzeigen und fiktiven CPEs der organischen Beiträge gebildet.

Monetäre Bewertung von digitalem Content

Auf Basis der vorgestellten Methodik und Kennzahlen wünschen wir uns einen tiefgehenden inhaltlichen Diskurs mit Rechtegebern und -nehmern sowie den bestehenden Initiativen im Markt, die glücklicherweise in der jüngsten Vergangenheit bereits entstanden sind wie zum Beispiel durch die VSA (Vereinigung Sponsoring-Anbieter), Blinkfire Analytics, Athletia, Nielsen und MVP Index. Hierbei bedarf es auf der einen Seite die stetige, datengetriebene Optimierung der Baselinewerte für CPE und CPM als Orientierung für alle Marktteilnehmer. Auf der anderen Seite ist sowohl die Definition von relevanten Einflussfaktoren für die Bewertung als auch die Festlegung von technologischen Anforderungen an Tools unumgänglich, um im Dialog belastbare und faire Werte für den Markt evaluieren zu können.

Für die Evaluation auf Social Media sehen wir die Weiterentwicklung der Software-Anwendungen als entscheidenden Treiber. Dabei müssen folgende Aspekte in jeder Analyse von Sponsoring-Sichtbarkeit Berücksichtigung finden:

  • Logogröße
  • Dauer der Sichtbarkeit und Anzahl von Logos
  • Individuelle Bewertung von Logos, Hashtags bzw. Tags
  • Kombination von Video Retention und Logosichtbarkeit
  • Logo Konkurrenz: Sichtbarkeit von Logos anderer Brands

Darüber hinaus wird es relevant sein, dass weitere Faktoren individuell bewertet und als Faktor in die Formel integriert werden können.

  • Marke:
    Wie viel ist die Markenassoziation mit einer starken Club-Marke mehr wert als mit einer Standard-Marke? Besteht z.B. bei einem Fußballclub und einer Biermarke ein größerer Fit als bei einem Ergaslieferanten? Bei der Bewertung sollte ein individueller Faktor für die Bewertung der Branche bzw. Marke integriert werden können.
  • Region:
    Das Userverhalten ist von Land zu Land unterschiedlich. So interagiert z.B. ein User in Südamerika deutlich häufiger mit Inhalten, als ein User aus Deutschland. Auch im Hinblick auf die Performance von Werbeanzeigen sind regionale Unterschiede zu erkennen. Folglich sollte eine Auswertung der Media Values von Sponsorings auch auf der Analyse von Fan-Demographie basieren.
  • Plattformen:
    Um eine valide Grundlage für die Bewertung und Vergleichbarkeit der Plattformen gewährleisten zu können, sollte die jeweilige Value Proposition der Plattformen berücksichtigt und Unterschieden der Plattformen Rechnung getragen werden. So ist die Wahrscheinlichkeit einer Interaktion auf Instagram höher als auf Facebook. Genauso gibt es Unterschiede in der Markenwahrnehmung auf Facebook im Vergleich zu Instagram, die weiter untersucht und in die Rechnung einfließen sollten.
  • Userverhalten:
    Wie tiefgreifend war die Interaktion der User mit dem Inhalt. Hat er geliked, oder kommentiert oder geshared. War die Interaktion positiv, oder hat er negativ auf den Beitrag reagiert. Die Bewertung der Qualität des Engagements kann mit Hilfe von Algorithmen und Artificial Intelligence evaluiert werden und in die Berechnung einfließen.

Bundesliga-Clubs im digitalen Vergleich

In einer Analyse haben wir die Sichtbarkeit der Hauptsponsoren der Bundesliga-Clubs in der Hinrunde der Saison 2018/19 auf den Social-Media-Plattformen Facebook, Instagram und Twitter untersucht. Dazu wurden mittels der Software von Blinkfire Analytics alle Club-Beiträge auf die Sichtbarkeit der Sponsorenlogos auf der Trikotbrust identifiziert und mit den Beitragsinteraktionen und den CPE Baselines multipliziert.

Zum Zeitpunkt der Analyse (Ende Dezember 2018) vereinten die Clubs mit ihren Kanälen auf Facebook, Instagram und Twitter knapp 120 Millionen Follower. Rund zwei Drittel folgen den Clubs dabei auf Facebook, gefolgt von Instagram (20%) und Twitter (14%). Der Fokus der Analyse lag auf der Ausspielung der Inhalte sowie der Interaktivität der Kanäle.

Kumuliert konnten die digitalen Beiträge mit Sichtbarkeit der Trikotsponsoren von Juli 2018 bis Dezember 2018 über 67 Millionen Interaktionen verbuchen, was einem monetären Medienwert von rund 22 Millionen Euro allein auf Facebook, Instagram und Twitter entspräche. In den Ergebnissen spiegeln sich im Allgemeinen die ökonomischen Kräfteverhältnisse im deutschen Fußball wider. Der FC Bayern München erzeugt für den Hauptsponsor Telekom einen Medienwert von rund 12 Millionen Euro gefolgt von Borussia Dortmund und Evonik (rund 4,4 Millionen). Insgesamt erreichten die beiden Clubs knapp 75% der Interaktionen aller Bundesliga-Clubs. Die in der Rangliste folgenden Clubs Schalke, Frankfurt, Bremen, Gladbach und Leverkusen kamen zusammen auf weitere 15% (ca. 3,3 Mio. Interaktionen mit Logosichtbarkeit der Hauptsponsoren).

Ein maßgeblicher Erfolgsfaktor in dieser Bewertung ist die Größe der Accounts, da die Anzahl an Followern national und international in der Regel mit der Höhe der Interaktionen korreliert. Ein Post des BVB erreicht durchschnittlich mehr Personen als ein Post vom VFB Stuttgart, womit auch mit hoher Wahrscheinlichkeit Unterschiede in der Zahl der Interaktionen deutlich werden. Darüber hinaus stellen der sportliche Erfolg sowie besondere Ereignisse wie Spielertransfers entscheidende Faktoren für die Performance auf den digitalen Kanälen dar.

Maßgeblich entscheidend ist auch die kommunikative Strategie der Clubs. Hier sollten die Clubs die Möglichkeit nutzen, Nischen zu identifizieren und sich mit Themen zu positionieren, die für ihre Zielgruppe relevant sind. So weisen z.B. die Twitter-Kanäle von Bayer 04 Leverkusen – entscheidend beeinflusst durch die hohe Interaktivität des internationalen Kanals – nach dem FC Bayern und Borussia Dortmund das dritthöchste Engagement auf. Grund dafür ist die starke Vernetzung in Nordamerika sowie eine hoher Entertainment-Charakter.

Digitale Kommunikation wird komplexer

Markttrends wie die steigende Smartphone-Nutzung und die Weiterentwicklung von Technologien sowie Applikationen lassen einen weiteren Ausbau digitaler Assets im Sportsponsoring prognostizieren. Die Komplexität der Plattformen sowie die zunehmende Fragmentierung durch neue Kanäle wie etwa TikTok werden den Sportmarkt im Hinblick auf die Sponsoringgestaltung und deren Bewertung vor neue Herausforderungen stellen. Wir freuen uns daher auf die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema der digitalen Sponsoring-Evaluation und sehen in einem gemeinsamen Austausch die Chance, das Sportsponsoring für Rechtegeber und Rechtenehmer auf ein neues Level heben zu können.